Schwarz, geheimnisvoll, faszinierend: Hemibagrus wyckii

Hemibagrus wyckii

Den in Südostasien verbreiteten Hemibagrus wyckii beschreibt der international anerkannte Welsexperte Dr. David Sands als einzige Süßwasserfischart, die keine Angst vor Menschen kennt. Thailändische Fischer glauben zudem, dass ihr geheimnisvolle Kräfte zukommen. Überhaupt lässt der Mythos, der Hemibagrus wyckii umgibt, allerlei Geschichten ranken. Nicht selten vermischen sich dabei wahre Informationen mit Übertreibungen und Angedichtetem. Denn dieser zweifelsohne aggressive Wels kann sich auch von einer anderen Seite zeigen und dem verantwortungsvollen Pfleger große Freude bereiten.

 

Hemibagrus wyckii

Artbeschreibung

Mit seinem flachen, breiten Kopf und der auffallend schwarzen Färbung ist Hemibagrus wyckii eine imposante Erscheinung.

 

Ein unverwechselbares Kennzeichen sind die glasartigen blauen Augen, von daher stammt auch die englische Bezeichnung "Crystal Eyed Catfish" – einen deutschen Namen gibt es nicht. Hinzu kommen die attraktiven schneeweißen oberen und unteren Kanten der Schwanzflosse.

 

Crystal Eyed Catfish
Hemibarus wyckii besitzt glasartige blaue Augen ("Crystal Eyed Catfish").
Hemibagrus wyckii

Bis ein noch junger Hemibagrus wyckii seine Endgröße erreicht hat, die in der Natur bei 70 bis 75, im Aquarium bei 60 bis 65 Zentimetern Standardlänge liegt, ist es ein langer Weg, denn mit rund 2 Zentimetern pro Monat ist das Wachstum für einen Raubwels eher gemäßigt und ab einer Länge von 35 Zentimetern verlangsamt es sich zusätzlich.


Ausgewachsene Weibchen bleiben etwas kleiner. Sie sind auch dickleibiger und blasser gefärbt als die schlanken und tiefschwarzen Männchen, deren Genitalpapille verlängert ist.  

Pflegehinweise

Die Haltung von Hemibagrus wyckii wird erst mit Eintritt der Geschlechtsreife und damit ab einer Länge von etwa 35 Zentimetern richtig interessant. Spätestens von da an ist der Wels als Einzeltier in großen, gut belüfteten Becken (ab 900 Liter) bei einer stärkeren Strömung und wöchentlichem Teilwasserwechsel zu pflegen. Außenfilter haben den Nachteil, dass hineinführende Schläuche von den sich mit zunehmendem Alter auch gegenüber der Aquarieneinrichtung als aggressiv erweisenden Welsen zerbissen oder durch Ankauen der Gummiklips gelöst werden können. Daher arbeitet man am besten mit einem als Glaskasten konstruierten und damit fest installierten biologischen Innenfilter, in den Pumpe(n) entsprechender Leistung einschließlich Heizer integriert sind. Die Wasserparameter spielen bei dieser anspruchslosen Art keine große Rolle. Die recht lichtscheuen Welse benötigen allerdings Ruheplätze hinter Hölzern und Steinen oder künstliche Verstecke.

 

Verhaltensbeobachtungen

Mein etwa sechsjähriges und inzwischen rund 65 Zentimeter langes, männliches Exemplar treffe ich üblicherweise ruhend an. In diesem Moment haben mich seine Augen bereits erfasst und seine kalkulierende Intelligenz sagt ihm, ob ich „nur so“ vorbeilaufe oder gleich die Fütterung vornehme, dann nämlich verlässt es sein Versteck, schwimmt umher und bettelt regelrecht um Nahrung. Von klein auf an mich gewöhnt und quasi „gut erzogen“, kann ich ihm die Happen von Hand reichen, ohne wie andere Pfleger dieser Art einen Biss fürchten zu müssen. Auch das Hantieren im Aquarium ist völlig unproblematisch. Durchaus glaubhafte Horrorgeschichten, wonach einige Exemplare gleichsam als mörderische Fingerbeißer alle Pflegemaßnahmen im Becken zu einem Wagnis werden ließen und selbst Futterzangen attackierten, sind auf eine mangelnde Annäherung von Hemibagrus wyckii an seinen Pfleger zurückzuführen. Die Tiere haben ein ausgeprägtes Territorialverhalten, wonach alles, was ihnen fremd ist, erforderlichenfalls bis zur Selbstaufopferung attackiert wird. Das Bekannte hingegen pflegen sie zumindest zu dulden. Natürlich ist jedes Exemplar zumal dieser Art anders. Doch deutliche Parallelen mit den gleichen Erfahrungen eines weiteren Halters zeigen: Hemibagrus wyckii ist gelehrig und sein Verhalten bis zu einem gewissen Grad steuerbar. Der Pfleger hat es somit ein Stück weit selbst in der Hand, das Verhalten seines Exemplars durch eine schrittweise Zähmung positiv zu beeinflussen. Dann hat man es später mit einem eher freundlichen Tier zu tun. Mein Exemplar lässt mittlerweile sogar dann Berührungen zu, wenn es sich in seiner Behausung befindet.

 

Hemibagrus wyckii
Hemibagrus wyckii: Dieses gezähmte Exemplar unterstreicht mitunter seine Lässigkeit, indem es sich auf den Rücken legt.

Was der Wels ursprünglich gar nicht mochte, war meine Kamera. Hatte er sie bemerkt, versuchte er wie wild mit geöffnetem Maul auf sie loszustürmen. An die Scheibenmagneten hat sich das Tier zwischenzeitlich auch gewöhnt, dafür steht es bis heute mit dem Netz auf Kriegsfuß. Seine Attacken erstrecken sich auch auf versuchsweise im Becken platzierte neue Objekte wie leere Gehäuse von Weinbergschnecken oder Golfbälle.

 

Hemibagrus wyckii
Hemibagrus wyckii attackiert den Scheibenmagneten.

Hemibagrus wyckii nimmt gern Tauwürmer, Garnelen, Forellenstücke und Streifen von Seelachsfilet. Ist der Happen zu groß, durchtrennen ihn die kräftigen, mit spitzen Zähnen besetzten Kiefer fast problemlos mit einem Biss. Verblüffend ist auch seine Reaktionsgeschwindigkeit: Während viele südamerikanische Raubwelse beim Beutefang mitunter leer ausgehen, dürften seine Raubzüge für potenzielle Opfer in der Regel tödlich enden. So habe ich einige Male versucht, den gereichten Brocken nach bereits erfolgtem Ansetzen des Tieres zurückzuziehen, doch zu spät: Blitzschnell macht es die Bewegung meiner Hand mit und schnappt ihn sich zielsicher. Ganz verrückt ist der Wels nach Stinten: An manchen Tagen ist er wählerisch und stößt Fischfilet mit dem Maul weg, bis seine geliebten Leckerbissen verfüttert werden. Necke ich ihn und täusche eine Fütterung nur vor, zeigt er seinen Unmut mit wilden Bewegungen, die unter Umständen sogar mit einem Spritzer in mein Gesicht einhergehen. Habe ich einige Tage nicht gefüttert, so scheint er förmlich nach mir zu suchen: In immer kürzeren Abständen lukt er aus seinem Versteck hervor und lässt dabei fast schon nervös die erste Körperhälfte herausragen. Hat er mich ausgemacht, schwimmt er an der Frontscheibe auf und ab. In dieser Phase ist er besonders ansprechbar und reagiert auf die kleinste Handbewegung.

 

Sobald die Beckenbeleuchtung erlischt, pflegt Hemibagrus wyckii bei seinen Streifzügen die Einrichtung unter die Lupe zu nehmen. In einer Nacht kann er den Kies zu einem hohen Hügel auftürmen. Davon kann auch die Frontscheibe betroffen sein und der Pfleger mag darüber nachdenken, ob diese Maßnahme dem Wels als Sichtschutz gedient hat. Durch überlegtes Schieben und Drücken seines Mauls bewegt er sogar größere Steine von einer Seite zur anderen. Als mein Exemplar einmal so richtig mit seinen „Bauaktivitäten“ loslegte, wachte meine Frau auf. Sie machte sich Sorgen und dachte, es könnte sich zwischen Steinen eingeklemmt haben. Als sie dann das Flurlicht anknipste, schien das Aquarium unbewohnt zu sein. Selbst das Versteck des Welses war auf den ersten Blick leer. Als sie schließlich an der Scheibe ihren Kopf suchend hin und her bewegte, schoss dieser plötzlich wie ein „schwarzer Teufel“, so ihre späteren Worte, aus seiner Behausung, in der er sich seitlich verschanzt hatte. Mehrmals versuchte er sie bei geöffnetem Maul mit voller Wucht zu attackieren, was ihr einen ordentlichen Schrecken versetzte. Die im Englischen auch gebräuchliche Bezeichnung „Black Devil Catfish“ hat also durchaus ihre Berechtigung. Im Grunde hat das Tier mit dieser Abwehraktion aber nur eindrucksvoll seinen Revieranspruch unterstrichen.

 

Hemibagrus wyckii
Neugieriges Aufrichten des Oberkörpers: Der Wels hat mich registriert.

Hemibagrus wyckii ist ausgesprochen klug. Schon als Jungtier konnte mein Exemplar aus zwei größeren Steinen und einer Holzwurzel, die ich wahllos im Becken verstreut hatte, eine überdachte Behausung „bauen“, deren Boden es zusätzlich von Kies frei räumte, um sich in dem vertieften Hohlraum zu verbergen. Auch bei seiner jetzigen Unterkunft, einem übergroßen, schweren Terracotta-Eimer, geht der Wels planmäßig vor, um mich an einer direkten Beobachtung zu hindern, sollte ich das Gefäß zu nah an der Frontscheibe platziert haben: Dann trägt er Schritt für Schritt zunächst den seitlich beziehungsweise dahinter befindlichen Kies ab, indem er mit seinem Maul jeweils eine Ladung aufnimmt und weiter entfernt wieder abgibt. Schließlich ist es für ihn ein leichtes, den Eimer durch Drücken mit dem Kopf und Um-Sich-Schlagen mit der Schwanzflosse auf der freigelegten Scheibe schrittweise nach hinten zu rollen. Für seine Intelligenz spricht ebenso, dass er Menschen unterscheiden kann: Wenn sich Besucher vor das Becken stellen, kommt er aus seinem Unterschlupf und taxiert sie mit den Barteln. Auf mich reagiert er nur bei Fütterung. 

 

Vergesellschaftung

Aufgrund der großen innerartlichen Aggressivität ist Hemibagrus wyckii bereits im Jugendalter nicht mit seinesgleichen zu halten. In diesem Stadium können allenfalls andere Arten wie robuste Cichliden hinzugesetzt werden. Diese attackiert der Wels nur, wenn sie es wagen, seinen Unterstand als Versteck zu nutzen. Mit Beginn der Geschlechtsreife steigert sich die Aggressivität enorm: Jetzt erweitert Hemibagrus wyckii sein Revier und gebärdet sich äußerst territorial. Das gilt auch gegenüber Arten, die der Wels bislang geduldet hat. Da der elegante Jäger nachts bei seinen teils kräftigen und blitzschnell ausgeübten Schwimmbewegungen bis in die obere Wasserregion aufsteigt, ist letztlich kein Mitbewohner vor ihm sicher. Kleinere Fische sieht er als Leckerbissen an. Und selbst kräftige und für ihre Angriffslust bekannte Arten treibt er durch seine Nachstellungen bis in den Tod. Eine langfristige Vergesellschaftung ist somit in Becken unter drei Metern Kantenlänge und damit den meisten Heimaquarien nur schwer möglich. Zum Trost sei allen gesagt, die auf ein Gesellschaftsbecken viel Wert legen: Ein adulter Hemibagrus wyckii sieht großartig aus und besticht für sich allein im Becken. Und, etwas überspitzt formuliert: In gewissem Sinn kann sein „Gefährte“ bei entsprechender Haltung sogar der Pfleger selbst werden.


 

Hemibagrus wyckii
Der Wels schnappt sich ein Forellenstück. Um meine Finger nicht zu verletzen, "saugt" er den Happen förmlich in seinen großen Schlund.

Zusammenfassung

Hemibagrus wyckii ist ausschließlich dem Aquarianer zu empfehlen, der schon hinreichend Erfahrung in der Haltung räuberischer Arten mitbringt und sich an nur einem einzigen Wels im Großbecken erfreuen kann. Immerhin kann der Pfleger gewiss sein: Bei keiner Art macht die Fütterung so viel Spaß wie bei diesem Charaktertier, dessen Blick mal finster und dann wieder spitzbübisch-sympathisch wirkt. Selbst nach Jahren zeigt sich etwas Unerwartetes in seinem Verhalten und Temperament. Immerhin ist seine Endlänge im Vergleich zu vielen anderen Raubwelsen gerade noch akzeptabel, zumal er auch nicht so lebhaft ist. Andererseits muss ein Kaufentschluss angesichts der mutmaßlichen Lebensdauer von mehr als zwei Jahrzehnten gut überlegt sein, denn es werden sich später kaum geeignete Abnehmer finden lassen.

 

Literatur:

James, Allan und Ros, Wolfgang (2011): Hemibagrus wyckii: Zum Aggressionsverhalten eines furchtlosen Raubwelses, D. Aqu. u. Terr. Z. (Datz) 64 (6): 22-27.

Layley, Daphne C. (1995): Love at first bite, Practical Fishkeeping (PFK) 11: 36f.

Sands, David (1985): Catfishes of the World, Volume 5: Bagridae and others. Dee Bee Books, Preston: 129.

 

© Wolfgang Ros